Montag, 20. Januar 2014

Ein Ort der Begegnung

Dieser vermaledeite Lift funktioniert noch immer nicht. Der hausinterne Buschfunk hat auch noch falsch getrommelt, es ist kein Seil gerissen (Oh mein Gott, bin ich erleichtert, was nun aber meine Angst schürt, es könnte doch noch ein rotleuchtender Knopf in der Kabine angehen und mich von der Seite anquatschen) aber irgendwas ist trotzdem kaputt. Einerseits bin ich froh, andererseits... naja, der Lift sollte halt bald mal wieder das tun, wozu er eingebaut worden ist. 

Aber so ein widerborstiger Aufzug hat ja auch was Gutes. Auf dem Weg rauf oder runter zum Mops-Hort, treffe ich immer wieder auf neue Gesichter und bin inzwischen über jeden Hausbewohner auf das Trefflichste informiert. Ich kenne Geburtsdaten bis hin zum Geburtsgewicht, Verwandtschaftsgrade und etwaige vorhandene Vorlieben und Abneigungen, Schuhgrößen und Nahrungsmittelintoleranzen, es wäre mir ein leichtes, Gewichtstabellen der einzelnen Nachbarn auszuarbeiten, samt den Kilos, die sie durch das Stiegensteigen verloren haben. 
Man spricht über das Wetter, die Politik, die BVG, den BER, über Fußball, Eishockey, wo man Rattengift ausgelegt hat, Mädchengangs und Sishageschmacksrichtungen, nur über eines reden wir alle seltsamerweise nicht mehr: dieses Seil bzw. das Ding, was da eben kaputt sein soll.

Ist uns da klamm und heimlich der Wille zur Revolution abhanden gekommen, bei all der körperlichen Anstrengung? 
Nur unser Nachbar über uns, der ist der einzige, der noch auf die Barrikaden steigt und wütend nach einer Mietminderung verlangt.

Alles in allem kann Google einpacken. Leute, wir brauchen keine Kameras und keinen NSA und sonstige Sperenzchen. Stellt den Lift ab. Am Stiegenhaus erfährt man alles. In einem Mehrparteienhaus weiss niemand, wer da wirklich wohnt. 
Das Stiegenhaus ist ein Ort der Begegnung. Ich als Österreicherin vermiss dabei eigentlich nur noch das Bassena am Gang.

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